Sprachen lernen im Schlaf

Sprachen lernen im Schlaf

Abends müde ins Bett und morgens zweisprachig aufwachen, so oder ähnlich vollmundig klingen die Werbeversprechen einiger Anbieter. Die Idee, eine neue Sprache im Schlaf zu kernen, ist faszinierend und auch nicht mehr ganz neu. Was ist also dran an der Methode? Kann man Sprachen tatsächlich im Schlafen lernen?

Schlaf und Lernen sind ein gutes Paar

Ein Drittel seines Lebens verbringt der Mensch im Schlaf. Für die meisten von uns klingt das wie verlorene Lebensjahre und -jahrzehnte, denn es ist ja eine Zeit der Inaktivität. Doch eigentlich stimmt es nur bedingt, dass wir in unserer nächtlichen Ruhepause nichts tun, nichts erledigen. Der Schlaf ist nicht nur wichtig für die Gesundheit, er dient auch dazu, tagsüber Erlebtes und Gelerntes zu verarbeiten. Was wir während des Tages nicht richtig „abgespeichert“ haben, verinnerlichen wir über die Nacht – ganz ohne es zu merken.

Manch einer kennt es: Man hat den ganzen Tag für eine Prüfung gepaukt, und am Abend scheint es, als sei kaum etwas „hängen“ geblieben. Doch am nächsten Morgen erinnert man sich plötzlich erstaunlich gut an den Lernstoff. Mehr noch: Er erscheint auf einmal so simpel, so trivial. Wie kann das sein?

Wer beispielsweise eine neue Sprache mit einem Online-Sprachkurs lernen möchte, erliegt schnell der Versuchung, so lange zu lernen, bis alles „sitzt“. Oft ist es jedoch besser, mit dem Lernen für diesen Tag aufzuhören und das Gelernte einsickern zu lassen. Und am besten verinnerlicht das Gehirn das neue Wissen im Schlaf, daher fühlen wir uns am Morgen immer schlauer. Nicht umsonst verabschiedet man sich vor einer großen Entscheidung oft mit den Worten: „Lass uns nochmal eine Nacht darüber schlafen.“

Schlafzeit

Wenn man davon ausgeht, dass der Durchschnittsmensch 80 Jahre alt wird, verschläft er etwa ein Drittel seines Lebens. Das sind konkret gut 24 Jahre. Im Gegensatz dazu ist die Zeit, die für Schule und Weiterbildung genutzt wird, gering. Nur knapp 2 Jahre bildet sich der Mensch in seinem Leben fort.

Dass Schlaf nicht nur der Regeneration dient, sondern auch hilft, neues Wissen dauerhaft im Gedächtnis zu speichern, ist in der Wissenschaft längst bekannt. Bereits 1913 belegte eine Studie der amerikanischen Psychologen Jenkins und Dallenbach, dass Wissen, über das eine Nacht geschlafen wurde, besser behalten wird. Besonders wichtig für die Gedächtnisleistung scheinen dabei bestimmte Phasen des Schlafs zu sein.

Wie kommt das Gelernte ins Gedächtnis?

Delphine haben zwei Hirnhälften, die abwechselnd schlafen. Der Mensch ist da anders gestrickt, er schläft komplett. Doch bedeutet das etwa, dass sein Hirn nicht aktiv ist? Keineswegs. Ganz im Gegenteil, viele Synapsen sind mit der Verarbeitung von Informationen beschäftigt. Manchmal ist es dabei fast so aktiv, als wäre der Mensch wach.

Vokabeln, die ein Sprachschüler vor dem Einschlafen lernt, gelangen zunächst in eine Art Vorspeicher. Während des Schlafs ruft das Gehirn die entsprechenden Wörter und Vokabeln erneut auf, wobei es sie sortiert und ordnet – wie Bücher, die auf Bibliotheksregalen systematisch aneinandergereiht werden. Erst durch diese erneute Bearbeitung gelangen die Vokabeln ins Langzeitgedächtnis. Und dank der Neusortierung sieht man das Gelernte am nächsten Morgen meist klarer.

Wichtig sind also die folgenden drei grundlegenden Gedächtnisprozesse, hier beispielhaft am Vokabellernen erklärt:

  • Kodierung: Vokabel lernen
  • Konsolidierung: Bearbeitung des Vokabel-Inputs
  • Abruf: erneute Abfrage der Vokabeln

Kodierung und Abruf erfolgen nur im Wachzustand. Konsolidiert, das heißt gefestigt, wird das neue Wissen aber erst im Schlaf. Das Beste daran ist: Es muss nicht der Nachtschlaf sein, auch ein Mittagsnickerchen trägt erheblich zur Konsolidierung bei.

Bestmögliches Lernen – so geht‘s

Einfach nur schlafen reicht leider nicht, um erfolgreich zu lernen. Um die Sprache möglichst gut im Gedächtnis zu speichern und den Lernerfolg zu maximieren, sollte der Lernende Folgendes tun:

  • Ausreichend lang schlafen
  • Träume bewusst zulassen
  • Pausenloses Marathonlernen vermeiden
  • Mit Düften experimentieren
  • Für körperlichen Ausgleich sorgen
Der Klügere schläft länger

Verschiedene Experimente zeigen, dass die Lernerfolge nach einer Schlafperiode besser sind als nach einer vergleichbar langen Wachphase. Dies gilt jedoch nur sehr eingeschränkt, wenn der Lernende in der Nacht nur drei Stunden schläft – optimal sind für die meisten von uns acht Stunden oder mehr.

Eine Studie aus dem Jahr 2004 deutet gar auf einen Zusammenhang von Schlaf und Geistesblitzen hin. Die Wissenschaftler fanden Belege, dass morgendliche Geistesblitze mitunter auch auf die Aktivität des Gehirns während des Schlafs zurückgehen.

Träumen festigt Wissen

Forscher vermuten, dass auch das Träumen sehr hilfreich ist beim Speichern der neuen Fremdsprache. Sie halten es für wahrscheinlich, dass Träumen eine Form der Aktivierung und damit Konsolidierung des Gelernten ist. Wer sich am Morgen nicht an seine Träume erinnert, sollte sich jedoch keine Sorgen machen – auch er träumt. Alle Menschen träumen, nur verschwindet die Erinnerung daran bei vielen von uns direkt nach dem Aufwachen.

Träumen ist sowieso eine feine Sache. Kann es aber auch sein, dass der Mensch im Schlaf einen besseren Zugriff auf sein Gedächtnis hat als im Wachzustand? Die Antwort darauf ist ein klares Jein. Es kann passieren, dass man sich im Traum an Situationen oder Informationen erinnern kann, die tags nicht greifbar waren. Dies deutet allerdings nicht auf eine bessere Steuerung des Gehirns hin, sondern schlicht darauf, dass im Traum ein anderer Impuls gegeben wurde als am Tag. Generell ist es mit der richtigen Suchmethode auch im Wachzustand möglich, das gewünschte Wissen abzurufen. Der Traum weiß eigentlich nicht mehr, kann aber wie Kommissar Zufall manchmal unverhofft helfen.

Die Dosis bringt die Erkenntnis

Um das Gedächtnis nicht zu überfordern, ist es sinnvoll die neue Sprache „häppchenweise“ zu lernen. Viele Online-Sprachkurse stückeln daher ihre Lehrinhalte in kleine, thematisch orientierte Einheiten.

Jedes neu zugeführte Wissen bringt neue Verknüpfungen und Erkenntnisse, welche wiederum Ausgangspunkt für weiteres Lernen sind. Jeder, der eine neue Sprache lernt, sollte sich dessen bewusst sein, dass er eine bestimmte Aufnahmekapazität hat, die nur wenig dehnbar ist. Ab und an bedarf es einer Pause, damit das neue Wissen verarbeitet wird. Daher bitte kein Binge-Lernen, sondern sinnvolle Mengen an Informationen zuführen.

Pausen und Ablenkung im gesunden Maß sind dem Schlaf und damit dem Lernen ebenfalls zuträglich. Leichte körperliche Anstrengung, zum Beispiel durch Gymnastik, frische Luft, leichtverdauliche Speisen am Abend, eine angenehme Zimmertemperatur – all das ist gut für die Gesundheit und trägt zu einem tiefen, erholsamen Schlaf bei. Es gilt zu beachten: Nur im Tiefschlaf brennt sich die neue Sprache in das Langzeitgedächtnis ein.

Der Geruch des Erfolgs

Es hat sich gezeigt, dass Düfte dabei helfen, Erinnerungen abzurufen. Diese Lernmethode kann sich der Sprachlernende zunutze machen: Er schafft einen bestimmten Duft während des Lernens und tropft diesen vor dem Schlafengehen vorsichtig auf das Kissen. Das Gehirn assoziiert während des Schlafs das neue Wissen mit diesem Duft und konsolidiert es noch besser.

Genie dank Schlaf?

Der große deutsche Dichter Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) schlief üblicherweise 10 Stunden pro Nacht. Er schätzte seine Nachtruhe sehr. Seiner Geliebten Charlotte von Stein schrieb er einmal: „Ich kenne nur zwei Götter: Den Schlaf und Sie.“

Die Lernen-im-Schlaf-Methoden, die im Mittelpunkt mancher Sprachlern-Anbieter stehen, sind letztlich weder Wundermittel noch Hokuspokus. Sie sind eine moderne und bequeme Art, sich eine neue Sprache schneller anzueignen.

Das Motto lautet: Schlafen sie gut, lernen Sie besser!