Was ist die Carnivore-Ernährung?

Was ist die Carnivore-Ernährung?

Die kontroverse Carnivore-Ernährung erlaubt nur Tierprodukte – in strengen Fällen sogar nur Fleisch. Doch ist die Diät gesünder als gedacht oder gefährlich unausgewogen? Umweltfreundlich ist sie auf keinen Fall.

Pflanzen den Tieren überlassen

Seien es Debatten über Ethik oder Gesundheit, bestimmte Diäten beziehungsweise Ernährungsweisen werden in unserer Gesellschaft zunehmend zum Diskussionsthema. Besonders Low-Carb-Diäten – also Diäten, in denen Kohlenhydrate nicht oder nur bedingt konsumiert werden – liegen im Trend. Eine extreme Variante ist die sogenannte Carnivore-Ernährung, sprich Fleischfresser-Ernährung. Bei dieser fallen Kohlenhydrate komplett aus. Lediglich Tierprodukte sind erlaubt.

In den Vordergrund von Ernährungsdebatten rückte die Diät durch Mikhaila Peterson, der Tochter des Psychologieprofessors, Autors und Podcasters Jordan Peterson. Sie litt in ihrer Jugend an juveniler idiopathischer Arthritis sowie verschiedenen Autoimmunkrankheiten und Depression. Als sie auf eine strenge Version der Carnivore-Ernährung wechselte und lediglich Rind aß, seien die meisten Symptome und gesundheitlichen Probleme weitgehend gelindert oder gar geheilt. Zu anderen prominenten Befürwortern der Ernährungsweise gehören die Ärzte und Autoren Shawn Baker und Paul Saladino.

Zwar gibt es viele Erfahrungsberichte, die für die positiven Aspekte der Diät sprechen, es fehlen jedoch umfangreiche wissenschaftliche Studien. Ob die nachgesagten positiven Auswirkungen der Diät wirklich stimmen oder ob die Diät gefährlich ist und zu einer Mangelernährung führen kann, ist unklar.

Was Sie essen dürfen

Die Carnivore-Ernährung ist extrem restriktiv, doch es gibt unterschiedliche Stufen. PuristInnen ernähren sich wirklich nur von Fleisch – vorwiegend Rind –, Salz und Wasser. In den meisten Fällen sind jedoch auch andere Tierprodukte wie Innereien, Fisch, Eier oder Butter erlaubt. Besonders Innereien, Eigelb und fettiger Fisch beinhalten viele wichtige Mineralstoffe, Vitamine und gesunde Fettsäuren. Grundsätzlich ist alles erlaubt, das fliegt, läuft, schwimmt oder kriecht, sowie deren Erzeugnisse, sofern diese keine Laktose beinhalten:

  • Muskelfleisch
  • Innereien
  • Fisch
  • Eier
  • Butter
  • Eventuell Käse

Was Sie nicht essen dürfen

Wenn es nicht vom Tier kommt, ist es in der Carnivore-Ernährung nicht erlaubt. Die Makronährstoffzusammensetzung ist dabei sekundär. Selbst Nüsse, die aus Fett sowie Protein bestehen und in anderen Low-Carb-Diäten erlaubt sind, gehören hier nicht auf den Teller.

  • Gemüse
  • Früchte
  • Getreide
  • Nüsse
  • Hülsenfrüchte
  • Alkohol

Mögliche Vorteile

Einige Vorteile der restriktiven Diät liegen auf der Hand: Der Wocheneinkauf wird unkomplizierter. Genau wie andere Low-Carb-Diäten ist sie außerdem ein gutes Mittel zum Gewichtsverlust. Zwar ist die Kalorienbilanz für die Gewichtsregulierung das A und O, doch solche restriktiven Diäten verändern das Essverhalten enorm. Es fällt beispielsweise hochverarbeitetes, kalorienreiches Fast Food aus. Viele bekommen nach dem Konsum von Kohlenhydraten, besonders Zucker, Heißhunger, was bei der Fleischesser-Ernährung nicht möglich ist. Auch zum Naschen eignen sich die Essensgruppen nicht unbedingt. Zudem ist die Diät sehr proteinreich. Zum einen sättigen Eiweiße mehr als Kohlenhydrate und Fette, zum anderen haben sie einen höheren thermischen Effekt, sprich, der Körper verbraucht mehr Kalorien, um Protein zu verdauen.

Auch für Personen mit Diabetes Typ 1 und 2 könnte die Diät geeignet sein, da Kohlenhydrate ganz ausfallen und der Blutzuckerspiegel sowie der Insulinspiegel nicht so stark schwanken beziehungsweise steigen. Zudem wird die Ernährungsweise als Eliminierungsdiät eingesetzt. Personen mit Unverträglichkeiten steigen darauf um und führen andere Essensgruppen nach und nach ein, um festzustellen, ob sie diese vertragen. Grund dafür ist, dass Unverträglichkeiten meist pflanzliche Nahrungsmittel wie Nüsse oder Hülsenfrüchte betreffen – eine Fleischunverträglichkeit ist hingegen extrem selten.

Erfahrungsberichten zufolge kann die Diät ernste Symptome oder gar Krankheiten bekämpfen. Diese sind jedoch nicht wissenschaftlich belegt und daher mit sehr viel Vorsicht zu genießen. BefürworterInnen der Carnivore-Ernährung berichten von einer Linderung oder Heilung von Symptomen autoimmuner Krankheiten sowie der Bekämpfung psychischer Erkrankungen wie Depression oder Angststörungen. Trifft bei Ihnen eine solche Erkrankung zu, sollten Sie sich jedoch an einen Arzt oder eine Ärztin wenden, bevor Sie einen derartigen Ernährungswechsel vornehmen.

Mögliche Risiken

Das größte Risiko der Diät ist eine Mangelernährung. Sie ist nämlich alles andere als ausgewogen. Besonders Vitamine wie C und E sind meist nicht ausreichend vorhanden. Was außerdem ganz ausfällt, sind Ballaststoffe. Das kann zu Verstopfung führen oder der Darmflora schaden. Einige FleischesserInnen berichten außerdem, dass sie anfangs an starkem Durchfall litten.

Besorgniserregend ist laut einigen ErnährungsexpertInnen zudem die Menge an rotem Fleisch, welches das Risiko von Darmkrebs erhöhen kann. Zudem werden viele gesättigten Fettsäuren konsumiert. Das kann zur Steigerung des schädlichen LDL-Cholesterols führen. Des Weiteren ist die Zunahme sehr hoher Mengen an Protein unvermeidbar, was für die Nieren belastend sein kann.

Auch auf die Herkunft des Fleisches sowie der Fleischprodukte ist zu achten. Wer nur Tierprodukte isst, kann sich keine schlechte Qualität leisten. Sich lediglich von Fleisch aus Massentierhaltung zu ernähren, wo den Tieren Antibiotika zugeführt werden, ist gesundheitlich keinesfalls zu empfehlen – moralische Überlegungen bezüglich der Massentierhaltung kommen noch dazu. Selbst Bio ist nicht immer gut genug. Wer sich so ernähren will, sollte sich am besten bei regionalen FleischerInnen oder direkt bei Bauern beziehungsweise Bäuerinnen umschauen.

Nicht zuletzt sprechen soziale beziehungsweise alltägliche Faktoren gegen eine solche Ernährungsweise. Mit FreundInnen Essen zu gehen, ist für FleischesserInnen kaum möglich, da selbst Fleischgerichte in Restaurants in der Regel Gewürze, Soßen und Beilagen beinhalten, die in der Diät nicht erlaubt sind. Die Mahlzeiten müssen somit meist im Voraus geplant werden – flexibel sieht anders aus. Zudem sind hochwertige Tierprodukte teuer. Die Carnivore-Ernährung ist außerdem alles andere als nachhaltig, da für die Tierhaltung – selbst für nachhaltige Optionen – sehr viel Wasser verbraucht wird und die Treibstoffemissionen extrem hoch sind. Besonders Personen mit Vorerkrankungen sollten eine derartig extreme Ernährungsumwandlung, wenn überhaupt, ausschließlich nach Absprache mit ihrem Arzt oder ihrer Ärztin vornehmen.


Teaserbild: © fascinadora / stock.adobe.com | Abb. 1: © Vadym / stock.adobe.com | Abb. 2: © drimafilm / stock.adobe.com