Fleischwaren im Supermarkt – Tierwohllabel erklärt

Fleischwaren im Supermarkt – Tierwohllabel erklärt

In der Fleischindustrie folgt seit Jahren Skandal auf Skandal. Die schlimmen Zustände in der Massentierhaltung verderben selbst eingefleischten LiebhaberInnen von Nackensteak und Putenbrust zusehends den Appetit. Hinzu kommt die katastrophale Ökobilanz der industriellen Tierhaltung. Hier erfahren Sie, welche Labels und Siegel nachhaltige Produkte aus artgerechter Haltung kennzeichnen.

Staatliche Tierhaltungskennzeichnung ist in Planung

Beim Kauf von Fleisch ist es vielen Deutschen wichtig, dass die Tiere möglichst artgerecht gelebt haben. Konnte das Huhn auf dem Boden scharren oder das Schwein sich auf Stroh ausruhen? Orientierung beim Kauf bietet oft der Preis: Bei spottbilligen Kilopreisen kann es mit der Qualität der Tierhaltung nicht weit her sein. Umgekehrt bedeutet ein hoher Preis aber nicht zwangsläufig, dass die Tiere vernünftig gehalten wurden.

Grundsätzlich braucht es im Handel mehr Transparenz in Sachen Fleisch. Laut Ernährungsreport 2022 des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft wünschen sich 87 Prozent der Befragten eine verbindliche Tierhaltungskennzeichnung, die es erleichtern würde, gezielt Fleisch aus guter Tierhaltung zu kaufen.

Diese verbindliche staatliche Tierwohlkennzeichnung wird wahrscheinlich ab 2023 Realität. Das Label soll zwar zunächst nur für unverarbeitetes Schweinefleisch und Fleischwaren gelten, die in Deutschland produziert wurden, aber zügig um Rinder, Geflügel und verarbeitete Produkte erweitert werden. Es wird in fünf Haltungsformen unterschieden:

HaltungsstufeBedeutung
Stall Nur gesetzliche Mindestanforderungen
Stall und Platz 20 Prozent mehr Raum
Frischluftställe Ställe an mindestens einer Seite offen
Asulauf oder Freiland Mindestens acht Stunden Auslauf im Freien
Bio Größere Auslaufflächen, noch mehr Platz im Stall
Diese fünf Haltungsstufen soll das neue Tierwohllabel kennen.

Diese Labels gibt es bereits

Viele VerbraucherInnen achten beim Einkauf auf die bereits bestehenden Tierhaltungslabels. Sie sollen erkenntlich machen, welches Fleisch aus verantwortungsvoller Haltung stammt. Doch die Vielzahl der Siegel stiftet Verwirrung: So gibt es scheinbar gleich mehrere Bio-Siegel. Wer sich etwas mit den Labels auskennt, kann gezielter Produkte aus möglichst artgerechter Haltung kaufen.

Haltungsform-Label – verbesserte Transparenz

Viele kennen das vierstufige Label Haltungsform aus dem Supermarkt. Es geht auf eine Zusammenarbeit von Landwirtschaft, Fleischwirtschaft und Lebensmitteleinzelhandel zurück. Allerdings handelt es sich diesem Label nicht um ein Tierwohlsiegel, sondern vielmehr um eine Kennzeichnung, die für mehr Transparenz sorgen soll.

Fleischprodukte unterteilt das Haltungsform-Label in vier verschiedene Kategorien:

  • 1: Stallhaltung (rot)
  • 2: Stallhaltung Plus (blau)
  • 3: Außenklima (orange)
  • 4: Premium (grün)

Die Haltungsbedingungen der Kategorie „Stallhaltung“ erfüllen nur die in Deutschland geltenden gesetzlichen Mindestanforderungen. Wer Wert auf Tierwohl legt, sollte von diesen Produkten die Finger lassen. Nicht viel besser sieht es bei „Stallhaltung Plus“ aus. Nur die Kategorien „Außenklima“ und „Premium“ stellen eine Verbesserung zur konventionellen Massentierhaltung dar. In der Haltungsform „Außenklima“ haben Tiere beispielsweise mehr Platz und Zugang zu einem Außenbereich. Bio-Standards erfüllt diese Kategorie jedoch nicht. Die Haltungsform 4 bietet richtigen Auslauf im Freien und den meisten Platz. Das Futter darf nicht gentechnisch verändert worden sein. Ein mit der Stufe 4 gelabeltes Produkt kann aus Bio-Haltung stammen, aber auch konventionell erzeugt sein.

Initiative Tierwohl - keine Bio-Qualität

Neben dem Haltungsform-Label ist auf Supermarktfleisch auch oft das Siegel der Initiative Tierwohl zu finden. Es geht ebenfalls auf eine Brancheninitiative zurück und definiert bestimmte Grundanforderungen, die Tierhalter umsetzen müssen. Das Haltungsform-System sortiert Fleisch aus Betrieben der Initiative in die Kategorie 2 ein. Somit liegt die Qualität weit unter den Ansprüchen für Bio-Fleisch.

Auch wenn zwei der vier Stufen nicht für Tierwohl stehen, gibt das Label VerbraucherInnen theoretisch die Möglichkeit, sich bewusst für bessere Haltungsformen zu entscheiden. Allerdings fehlt es dazu an Auswahl. Green Peace stellte 2021in einer bundesweiten Händlerbefragung fest, dass rund 34 Prozent der „Haltungsform“-Produkte aus der Stufe 1 stammen. Etwa 55 Prozent waren mit der Stufe 2 gekennzeichnet. Auf die Haltungsformen 3 und 4 entfallen nur vier beziehungsweise sechs Prozent. Im Fall dieses Labels gibt es somit nur eingeschränkte Wahlmöglichkeiten für alle, die auf mehr Tierwohl achten möchten.

Für mehr Tierschutz – zwischen Bio und konventionell

Das zweistufige Label des Deutschen Tierschutzbundes soll LandwirtInnen die Umstellung auf eine bessere Tierhaltung erleichtern. Es ist in eine Einstiegs- und eine Premiumstufe untereilt. Zwar ist die Einstiegsstufe besser als die gesetzlichen Mindeststandards, doch nur die Premiumstufe kennzeichnet eine tiergerechte Haltung. Ziel des Labels ist, dass alle teilnehmenden Betriebe mittelfristig die Kriterien der Premiumstufe erfüllen.

Laut Stiftung Warentest entspricht die Einstiegsstufe der Stufe 3 des Haltungsform-Labels. Verbesserungen in der Einstiegsstufe sehen unter anderem vor:

  • Mehr Platz
  • Mehr Beschäftigung für Tiere
  • Verschiedene Klimazonen

Die Premiumstufe verlangt unter anderem, dass die Tiere ständigen Zugang zu Frischluft und Auslauf haben. Kriterien der Premiumstufe sind zum Beispiel:

  • Noch mehr Platz
  • Kleinere Gruppen
  • Strenge Regeln für Transport und Schlachtung
  • Eigene Bereiche für Aktivität, Ruhen und Koten
  • Keine Entfernung von Schweineschwänzen
  • Keine schnellwachsenden Zuchthühner

Deutsches und europäisches Bio-Siegel

Das deutsche und das europäische Bio-Siegel finden sich oft nebeneinander auf Produkten. Beide Siegel kennzeichnen Produkte, die der EU-Bio-Verordnung genügen. Nur ein Lebensmittel, das zu 95 Prozent diesen Kriterien entspricht, darf „Bio“ oder „Öko“ genannt werden. Zu den Vorgaben gehören:

  • Keine chemischen Pflanzenschutz- und Düngemittel
  • Begrenzte Anzahl von Tieren pro Hektar
  • Artgerechte Haltungsformen
  • Keine Gentechnik
  • Biologische Futtermittel

Die Bio-Verordnung sieht für alle Tiere eine artgemäße Haltung vor. Dazu gehören Auslauf, Weidegang und mehr Platz. Die Mindestfläche, die für ein ausgewachsenes Mastschwein mit einem Gewicht von 110 Kilogramm vorgesehen ist, beträgt 1,5 Quadratmeter im Stall und 1,2 Quadratmeter im Außenbereich. In einem konventionellen Betrieb muss ein Schwein sein Leben auf einer Fläche von 0,75 bis 1,00 Quadratmetern verbringen – in der Regel ohne Möglichkeit zum Auslauf. Der präventive Einsatz von Antibiotika sowie Spaltböden und Käfige sind in Bio-Betrieben verboten.

Bio-Fleisch zu kaufen, ist in jedem Fall besser, als Produkte aus konventioneller Haltung mit nach Hause zu nehmen. Durch die bessere Haltung erhalten auch wir Menschen ein gesünderes, qualitativ hochwertigeres Produkt. Dennoch gibt es bei den Bio-Siegeln noch Luft nach oben. Das Regelwerk erlaubt LandwirtInnen zum Beispiel, den Betrieb nur zur Hälfte nach Bio-Richtlinien zu bewirtschaften. Die Bio-Anbauverbände, die eigene Siegel vergeben, haben strengere Regeln und Höfe müssen ausschließlich ökologisch arbeiten.

Auch die Bio-Siegel der Supermärkte sind gut

Nahezu alle Supermärkte und Discounter haben mittlerweile eine eigene Bio-Marke auf den Markt gebracht. Hierbei handelt es sich keineswegs um ein Unterlaufen der Kriterien – auch diese Produkte sind nach den EU-Regeln zu mindestens 95 Prozent „Bio“.

Siegel der Bio-Anbauverbände

Unter einem Anbauverband wird ein Zusammenschluss biologisch arbeitender landwirtschaftlicher Produzenten verstanden. Diese Verbände definieren Anforderungen, die weit über die gesetzlichen Regelungen zu ökologischer Landwirtschaft hinausgehen. Tierwohl wird noch stärker geschützt, als es die EU-Bio-Verordnung vorsieht. Wer Fleisch aus artgerechter Haltung verzehren möchte, ist bei diesen Verbänden an der richtigen Adresse. Die drei bekanntesten sind Demeter, Naturland und Bioland. Qualität und Tierwohl haben allerdings ihren Preis: Die Produkte sind in der Regel mehr als doppelt so teuer wie konventionelle Fleischwaren.

Demeter

Der älteste deutsche Bio-Anbauverband Demeter existiert bereits seit 1924. Die sogenannte „biodynamische“ Wirtschaftsweise von Demeter gilt als eine der nachhaltigsten Formen der Landwirtschaft. Demeter-LandwirtInnen müssen neben Ackerbau auch Tiere halten. Die Umstellung des ganzen Betriebs auf Bio-Richtlinien ist Pflicht. Chemische Mittel werden bei Demeter-Landwirtschaft nicht eingesetzt. Verfütterung oder Anbau von genveränderten Pflanzen ist ein Tabu. Mindestens 50 Prozent des verfütterten Futters müssen vom eigenen Hof stammen, Bio-Futter ist nur mit Einschränkungen erlaubt und konventionelles Tierfutter überhaupt nicht.

Tierwohl hat bei Demeter-Betrieben einen hohen Stellenwert. Es gelten strengere Richtlinien, als sie die EU vorgibt. Dazu zählen zum Beispiel:

  • Gesamtbetriebsumstellung auf Bio
  • Deutlich weniger Tiere pro Hektar
  • Ausschließlich Verfütterung von Bio-Futter
  • Verbot von Enthornung und ähnlichen Methoden
  • Möglichst kurze Wege zum Schlachthof

Um ihnen ein natürliches Sozialverhalten zu ermöglichen, werden insgesamt viel weniger Tiere gehalten als in konventionellen Betrieben. Beispielsweise leben auf einem durchschnittlichen Demeter-Bauernhof etwa 20 Schweine. Ein konventioneller Mastbetrieb kommt auf über 1.000 Schweine. Die Demeter-Ställe sind so beschaffen, dass die Tiere sich wesensgerecht bewegen können. Auf den Höfen muss den Tieren Auslauf und Weidegang gewährt werden.

Unterm Strich lässt sich sagen, dass Demeter-Produkte für alle ideal sind, die auf Nachhaltigkeit und Tierwohl setzen. Die Qualität der Haltung ist höher als bei herkömmlichen Bio-Produkten, die Kriterien noch etwas strenger als bei den vergleichbaren Siegeln von Naturland und Bioland. Demeter-Produkte sind erst seit einigen Jahren vermehrt in Bio-Supermärkten zu finden. In vielen Fällen ist noch immer ein Gang in ein Fachgeschäft oder zum Hofladen nötig, um Waren mit Demeter-Qualität zu bekommen.

Das landwirtschaftliche Konzept von Demeter geht auf die spirituell-esoterischen Lehren Rudolf Steiners (1861–1925) zurück. Viele Aussagen und Ideen Steiners sind umstritten.

Naturland

Ein weiterer großer Bio-Anbauverband ist Naturland. Die Produkte der weltweit über 140.000 zertifizierten Erzeuger sind in vielen Läden erhältlich. Wie auch Demeter verfolgt Naturland strengere Richtlinien, als sie von der EU vorgegeben werden. Die Gesamtumstellung des Betriebs auf Bio ist Pflicht. Bei Naturland gibt es Regelungen für alle Lebensabschnitte der gehaltenen Tiere, von Geburt über die Haltung bis zu Transport und Schlachtung. Die Einhaltung der Tierwohlvorgaben wird jährlich unabhängig kontrolliert. Dazu zählen unter anderem:

  • Weniger Tiere pro Hektar Fläche
  • Mehr Platz im Stall und im Freien
  • Weidegang für Milchvieh
  • Ständiger Auslauf für Hennen
  • Mindestens 50 Prozent Bio-Futter aus dem eigenen Betrieb

Im Vergleich zur konventionellen Massentierhaltung steht Schweinen in Naturland-Höfen das Dreifache an Platz zur Verfügung. Jedes Naturland-Tier hat einen eigenen, eingestreuten Bereich zum Ausruhen – sei es Geflügel, Rind, Schaf oder Schwein. So erhalten etwa Rinder einen eigenen Liegeplatz und Schweine eigene Bereiche, in denen sie gemeinsam ruhen können. Für Hühner gibt es eine vorgeschriebene Mindestlänge der Sitzstangen. Ein ständig möglicher Auslauf ins Freie lässt die Tiere Klimareize wie Regen, Wind und Sonne erfahren, was gleichzeitig die Gesundheit fördert. Die Versorgung der Tiere mit 100 Prozent Öko-Futter ist Pflicht. Dieses Futter muss zur Hälfte aus dem eigenen Betrieb stammen.

Wer nach Fleischwaren aus verantwortungsvoller und artgerechter Haltung sucht, ist bei Naturland an der richtigen Adresse. Die Verfügbarkeit der Produkte ist hoch, sie sind ohne Weiteres in Supermärkten wie Rewe und Edeka zu finden.

Bioland

Der dritte große Bio-Verband neben Demeter und Naturland ist Bioland. Eine nachhaltige Bewirtschaftung der Höfe wird bei Bioland großgeschrieben. Die strengen Richtlinien gehen aus den sieben Prinzipien hervor, denen sich die LandwirtInnen verpflichtet haben. Sie legen dar, wie gewirtschaftet werden kann, ohne unsere natürlichen Lebensgrundlagen zu zerstören:

  • Im Kreislauf wirtschaften
  • Bodenfruchtbarkeit fördern
  • Tiere artgerecht halten
  • Wertvolle Lebensmittel erzeugen
  • Biologische Vielfalt fördern
  • Natürliche Lebensgrundlagen bewahren
  • Lebenswerte Zukunft sichern

In Sachen Tierhaltung setzen die Bioland-Höfe auf Qualität statt Quantität. Nicht nur werden deutlich weniger Tiere gehalten als in konventionellen Mastbetrieben, sie haben auch deutlich mehr Platz – sowohl im Stall als auch auf der Weide. Auf diese Weise können sie ihr natürliches Verhalten ausleben. Das ganze Jahr haben Kühe und Schweine ausreichend Bewegungs- und Ruheraum sowie Zugang zu natürlichem Licht, Wind und Wetter. Die Möglichkeit zum Auslauf oder Weidegang ist für alle Tiere vorgeschrieben. In puncto Tierwohl liegt Bioland also weit vorn und die Produkte sind empfehlenswert für alle, die bewusster Fleischwaren kaufen möchten.

Wie auch bei Demeter und Naturland wird großer Wert auf die Qualität des Futters gelegt. Hier muss ebenfalls 100 Prozent Bio-Futter gegeben werden, das zu 50 Prozent vom eigenen Hof stammt. In Sachen Düngemittel verfolgen Bioland-Betriebe das Prinzip der Kreislaufwirtschaft. Schließlich gehen die Nährstoffe aus dem Futter nicht verloren, sondern werden in Form von Kot und Urin dem Boden zurückgegeben. Gentechnisch veränderte Organismen sind mit den Prinzipien von Bioland nicht vereinbar.


Teaserbild: © Lado2016 / stock.adobe.com | Abb. 2: © Demeter | Abb. 3: © Naturland | Abb. 4: © Bioland