Keimlinge und Sprossen im Glas selbst ziehen

Keimlinge und Sprossen im Glas selbst ziehen

Mungobohnensprossen, in Deutschland oft mit Sojasprossen verwechselt, sind bei gebratenen Nudeln vom asiatischen Imbiss um die Ecke nicht wegzudenken. Die zahlreichen andere Sprossensorten oder ihre Vorstufe, Keimlinge, nehmen erst nach und nach ihren Platz im Speiseplan ein. Sie gelten nämlich als wahre Nährstoffbomben. Das Praktische: Keimlinge und Sprossen zu züchten, erfordert weder teure Geräte noch viele komplizierte Schritte.

Das Prinzip der Keim- und Sprossenzucht

Samen und Saaten selbst zu keimen, bedeutet, dass Sie diese kontrolliert wachsen lassen. Die Grenze zwischen Keimling und Sprosse ist fließend: Schlagen die Samen erste Triebe und Wurzeln, handelt es sich um Keimlinge. Lassen Sie die Keimling weiterwachsen, werden sie zu Sprossen. Diese haben meist eine helle weiße bis gelbe Färbung sowie erste unausgewachsene Keimblätter. Spätestens dann sollte das Wachstum abgebrochen werden, um zu verhindern, dass daraus Jungpflanzen werden.

Was bewirkt die Keimung?

Durch die Keimung von Saaten und Samen entstehen unter anderem Enzyme, die sich auf die Nährstoffzusammensetzung auswirken. Zum Beispiel spaltet das Enzym Alpha-Amylase Stärke in Maltose, wodurch Vollkornsaaten bekömmlicher werden.

Das Enzym Phytase baut die Phytinsäure ab. Dabei handelt es sich um einen Pflanzenstoff, der Mineralstoffe wie Eisen, Calcium und Magnesium speichert, um diese für das Wachstum der Pflanze bereitzustellen. Sie liefert der Saat zwar Energie und Nährstoffe zum Wachsen, erschwert aber mitunter deren Verwertung für den menschlichen Körper. Schließlich muss er die Säure erst verarbeiten, um an die wertvollen Mikronährstoffe zu gelangen. Da sich der Phytinsäuregehalt durch den Keimprozess reduziert, kann der Körper die Mineralstoffe besser aufnehmen.

Während des Keimprozesses werden Enzymhemmer reduziert, welche eiweißspaltende Enzyme abbauen. Das sorgt dafür, dass Eiweißenzyme Proteine in Aminosäuren spalten können, sodass der Körper diese optimal verwerten kann.

Darüber hinaus erhöht sich der Anteil verschiedener Vitamine, essenzieller Aminosäuren und Fettsäuren. Um welche Nährstoffe genau es sich handelt, hängt vom Keimling ab. Bei Getreide steigt oft die Menge von Vitamin C und E sowie die Aminosäure Lysin.

Welche Nahrungsmittel sind zum Keimen geeignet?

Es gibt zahlreiche Samen und Kerne, die sich zum Keimen eignen, darunter Getreide und Pseudogetreide, Hülsenfrüchte sowie Gemüsesamen. Achten Sie im Laden am besten darauf, dass die Produkte als keimfähig gekennzeichnet sind. Oft sind prinzipiell keimfähige Lebensmittel vorbehandelt, etwa pasteurisiert, sodass sie nicht mehr für die Anzucht geeignet sind.

Keimfähige Lebensmittel teilen sich in Dunkel- und Lichtkeimer auf. Zwar vertragen beide Typen kein direktes Sonnenlicht, Lichtkeimer benötigen aber zumindest indirektes Licht, um zu sprießen. Dunkelkeimer hingegen sollten Sie mir einem Tuch abdecken, wenn Sie keinen dunklen Stellplatz zur Verfügung haben.  Bei beiden Arten liegt die optimale Temperatur zum Keimen bei 18 bis 20 Grad Celsius.

Die folgende Tabelle liefert einen Überblick über die typischen Einweich- und Keimzeiten von einigen häufig genutzten Lebensmitteln:

ZutatEinweichdauerKeimdauerLichtverhältnisse
Amaranth 6 Stunden 2 bis 3 Tage Lichtkeimer
Basilikum 8 Stunden 3 Tage Lichtkeimer
Bohnen 12 Stunden 3 bis 5 Tage Dunkelkeimer
Brokkoli 8 Stunden 3 Tage Dunkelkeimer
Dinkel 12 Stunden 2 bis 3 Tage Dunkelkeimer
Hanf 6 Stunden 3 bis 4 Tage Dunkelkeimer
Hirse 12 Stunden 1 bis 2 Tage Lichtkeimer
Kichererbsen 18 Stunden 3 bis 5 Tage Dunkelkeimer
Leinsamen keine 8 Tage Lichtkeimer
Quinoa 4 Stunden 1 Tag Lichtkeimer
Reis 12 Stunden 3 bis 4 Tage Lichtkeimer
Weizen 12 Stunden 2 bis 3 Tage Dunkelkeimer
So viel Zeit müssen Sie für diese Lebensmittel mitbringen

Die meisten keimfähigen Lebensmittel lassen sich einfach in einem Sprossenglas züchten. Es gibt aber einige Sorten wie Leinsamen oder Basilikumsamen, die bei der Keimung Schleim bilden. Dadurch können sie nicht nur aneinanderkleben, sondern auch schimmeln. Für den ersten Anzuchtversuch sind sie daher weniger geeignet.

Das benötigen Sie zum Keimen

Um Keimlinge und Sprossen selbst zu züchten, benötigen Sie nur keimfähige Samen, keimfreies Wasser – gefiltert, aufgekocht oder still aus der Flasche –, ein Sprossenglas und eine Halterung, um das Glas in Schräglage zu positionieren. Sprossengläser unterscheiden sich von Einmachgläsern nur durch ihren besonderen Deckel. Dieser ist auf der Oberseite mit einer Gitterstruktur versehen, die es ermöglicht, Wasser ein- und auszuschütten, ohne den Deckel zu öffnen. Alternativ können Sie ein offenes Einmachglas mit einem löchrigen Material wie Fliegengitter und einem Gummiband abdecken.

So ziehen Sie sich eigene Keimlinge und Sprossen

Der Prozess beim Ziehen von Keimlingen und Sprossen ist weitgehend derselbe: Sie weichen die Samen ein, füllen sie in ein Keimglas und spülen sie regelmäßig ab. Die Unterschiede betreffen die Einweich- und die Keimzeit sowie die Notwendigkeit einer Abdeckung.

Schritt 1: Einweichen

Bevor Sie die gewählten Saaten einweichen, waschen Sie diese zuerst gründlich. Halten Sie dabei Ausschau nach beschädigten Körnern und sortieren Sie diese aus. Da sie während des Keimens um ein Vielfaches an Volumen zunehmen, empfiehlt es sich, nur so viele Saaten zu nutzen, wie Sie am Stück ansetzen können. Meist genügen bereits zwei bis drei Esslöffel pro Glas. Nutzen Sie mehrere Keimgläser, können Sie die Menge natürlich erhöhen. Füllen Sie einen Teil Saat zu drei bis vier Teilen keimfreiem Wasser in ein Keimglas und decken sie es mit einem Tuch ab. Die Einweichzeit beträgt je nach Saat zwischen 4 und 18 Stunden.

Schritt 2: Spülen und Sortieren

Nach der Quellzeit lassen Sie das Wasser durch den Gitterdeckel abfließen, gießen neues Wasser hinein und schütten es wieder aus. Diesen Spülvorgang wiederholen Sie einige Male, um die Gefahr der Schimmelbildung zu reduzieren. Beim letzten Spülen halten Sie das Glas schräg und lassen das Wasser langsam ablaufen. Das führt dazu, dass sich die Saaten auf der gesamten Länge des Glases verteilen. Auch das reduziert mögliche Fäulnis.

Idealerweise sind Sie in Besitz eines speziellen Abtropfgestells, auf dem sich das Keimglas in einem 45-Grad-Winkel positionieren lässt. Hierfür eignet sich aber auch eine mit Küchenpapier ausgelegte Schüssel, in die Sie das Glas mit der Öffnung nach unten schräg hineinstellen, sodass sich eine Seite auf den Rand stützt.

Wenn Sie einen Dunkelkeimer züchten möchten, stellen Sie das Glas entweder an einen dunklen Ort oder decken es mit einem Küchentuch ab. Handelt es sich um einen Lichtkeimer, positionieren Sie das Glas an einen Ort, der indirektem Licht ausgesetzt ist.

Schritt 3: Pflegen

Die Keimgläser dürfen nicht während der gesamten Keimzeit unberührt verweilen. Das führt zu Bakterien und Schimmel, da sie das feuchte Milieu mögen. Daher ist es sehr wichtig, die Saaten zwei- bis dreimal pro Tag wie im vorherigen Schritt zu spülen: mehrmals Wasser ausgießen, einfüllen und am Ende zurück in die Halterung stellen. Dabei ist es sinnvoll, bei jedem Spülgang einen kurzen Blick in das Glas zu werfen, falls der Inhalt trotz großer Sorgfalt doch zu schimmeln beginnt. In diesem Fall ist es ratsam, noch einmal von vorne zu beginnen. Schaffen Sie sich am besten eine Routine, etwa zu einer festen Zeit morgens und abends, damit Sie das Auswaschen nicht vergessen.

Schritt 4: Ernten

Haben die Keimlinge die gewünschte Form, spülen Sie sie ein letztes Mal. Nun können Sie das Ergebnis entweder sofort essen, weiterverarbeiten oder in eine Box beziehungsweise ein Glas füllen und lagern. Mit dem Keimglas können Sie anschließend einen neuen Keimzyklus starten. Reinigen Sie es zuvor gründlich mit heißem Wasser.

Haltbarkeit und Lagerung

Die fertig gezogenen Keimlinge und Sprossen halten sich in einem fest verschlossenen Glas für einige Tage im Gemüsefach des Kühlschranks. Einige Keimlinge und Sprossen lassen sich sogar für bis zu zwölf Monate einfrieren, darunter Keimsaaten von Hülsenfrüchten, Mungobohnen- sowie Sojabohnensprossen. Bevor sie in die Kühltruhe kommen, sollte Sie diese aber zuerst blanchieren. Dadurch behalten die Lebensmittel ihren Biss. Hierfür geben Sie die Keimsaaten jeweils für drei Minuten in einen Topf mit kochendem Wasser und im Anschluss in kaltes Wasser. Danach können Sie das Gut in einen Behälter oder einen Beutel füllen.

Möchten Sie die Keimlinge auftauen, gibt es zwei Möglichkeiten: Für Salate und andere kalte Speisen empfiehlt es sich, sie für mindestens zwei Stunden in den Kühlschrank zu stellen. Bei warmen Gerichten können Sie die gefrorenen Nahrungsmittel direkt verarbeiten.


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