Hermann-ein Kettenbrief zum Verspeisen

Hermann-ein Kettenbrief zum Verspeisen

In den 1970er- und 1980er-Jahren war es nicht ungewöhnlich, einen Behälter mit Teig und einen Zettel geschenkt zu bekommen. Auf dem Papier stand ausführlich, wie EmpfängerInnen Hermann, den Sauerteig, behandeln sollen. Wer die Schritte genau befolgte, erhielt am Ende die Grundlage für Kuchen und Gebäck. Mindestens die Hälfte des Teigs ging dann an die nächsten Personen. Lange Zeit in Vergessenheit geraten verbreitet sich Hermann inzwischen wieder.

Ein Teig auf Tour

Von den 1970ern bis in die 1990er machte ein kurioser Teig mit dem Namen Hermann in deutschen Haushalten die Runde. Dabei handelt es sich um eine Art Sauerteig-Ansatz auf Weizenmehlbasis, der zehn Tage Züchtung erfordert, bevor er sich weiterverarbeiten lässt. Am zehnten Tag wird der Teig in vier Teile gespalten. Aus einem Teil backen Sie einen Hermann-Kuchen oder anderes süßes Gebäck. Das zweite Viertel füttern Sie entweder zu einem neuen Hermann heran, verbacken es oder geben es mit den restlichen zwei Vierteln an Freunde und Bekannte weiter. Vergessen Sie nicht die Anleitung, damit diese ihre Teigansätze richtig pflegen können. Im Grunde ist der Hermann-Teig eine Art Kettenbrief, nur dass die Übergabe persönlich erfolgt und im Idealfall zu köstlichen Ergebnissen führt.

Der Ursprung des Hermann-Briefs ist nicht eindeutig. Eine Theorie besagt, dass er im Zuge der Friedens- und Ökologiebewegung entstand, aber wer den Teig und die dazugehörige Anleitung in Umlauf gebracht hat, ist unbekannt. Dank der Natur des Kettenbriefs hat er sich schnell in ganz Deutschland verbreitet.

Im Laufe der 1990er-Jahre verschwand Hermann nahezu vollständig. Mittlerweile ist er jedoch wieder zurück: Online finden sich zahlreiche Rezepte mit dem Teig. Dabei scheuen HobbybäckerInnen nicht davor zurück, das damalige Grundrezept für den Hermann-Ansatz anzupassen oder während der Gärphase zu experimentieren. Das führte zum Beispiel zur Erkenntnis, dass das Prinzip auch in der veganen oder glutenfreien Variante funktioniert.

Hermanns kleine Brüder

Neben dem bekannteren Hermann-Teig für Kuchen gehören noch zwei weitere weniger bekannte Weizensauerteigansätze zur Familie. Auch sie tragen typisch deutsche Namen: Siegfried und Robert. Während Siegfried für verschiedene herzhafte Gebäcke geeignet ist, empfiehlt sich Robert für Brot. Im Vergleich zu Hermann kommt bei beiden nur wenig Zucker zum Einsatz, was sich nicht nur auf die Süße, sondern auch die Konsistenz des Teiges auswirkt.

So stellen Sie Ihren eigenen Hermann-Ansatz her

Falls Sie gern einen Hermann-Teig großziehen möchten, aber niemand in Ihrer Nähe einen Ableger zum Weitergeben hat, können Sie auch einen eigenen Hermann-Ansatz herstellen. Das bekannteste Rezept beinhaltet Folgendes:

  • 100 Gramm Weizenmehl 405
  • Ein Esslöffel Zucker
  • Eine halbe Packung Trockenhefe
  • 200 Milliliter lauwarmes Wasser

Die Zubereitung ist denkbar einfach: Füllen Sie die trockenen Zutaten in eine große, verschließbare Schüssel und fügen Sie das Wasser langsam hinzu. Wichtig ist, dass weder die Schüssel noch der Rührlöffel Metall enthalten. Sobald Sie alles zu einem glatten Teig verarbeitet haben, decken Sie das Behältnis ab, um den Teig vor Verunreinigungen zu schützen. Sorgen Sie dafür, dass Überdruck entweichen kann. Lassen Sie den Teig für zwei Tage bei Zimmertemperatur ruhen, bis er leicht säuerlich riecht und Blasen bildet. Danach können Sie den Teigansatz wie einen geschenkten Ableger weiterfüttern.

So pflegen Sie Ihren Hermann

Ein verschenkter Hermann-Ableger kommt traditionell mit einer Anleitung zur Weiterverarbeitung. Die einzelnen Schritte sind immer dieselben, das Design kann hingegen individuell sein. In einigen Anleitungen beschreiben die VerfasserInnen den Teig als neues Familienmitglied oder als Mitbewohner mit eigenen Vorlieben und Stimmungen.

Zum Beispiel möchte er am ersten Tag seine Ruhe haben, damit er sich an seine Umgebung gewöhnen kann. In den darauffolgenden drei Tagen sollten Sie Hermann jeweils einmal umrühren. Am fünften Tag füttern Sie ihn traditionell mit 100 Gramm Weizenmehl, 150 Gramm Zucker sowie 150 Milliliter zimmerwarmer Milch und vermischen alles gründlich. Für die vegane Variante können Sie Ihre bevorzugte Milchalternative oder Wasser nutzen. An den Tagen 6 bis 9 rühren Sie den Teig wieder. Am letzten Tag fügen Sie weitere 100 Gramm Mehl, 150 Gramm Zucker sowie 150 Milliliter Flüssigkeit hinzu und verarbeiten es zu einem glatten Teig. Anschließend können Sie ihn in vier 200-Gramm-Portionen teilen.

Lagerung und weitere Hinweise

In traditionellen Hermann-Briefen steht meist, dass der Teig während der zehn Tage nicht im Kühlschrank gelagert werden sollte, da die Kälte den Gärprozess verlangsamt. Inzwischen empfehlen viele HobbybäckerInnen genau das Gegenteil. Womöglich hängt es von der Zusammensetzung des Hermann-Ansatzes ab, welche Lagerung zu den besten Ergebnissen führt. Immerhin gibt es neben dem traditionellen Rezept auch solche mit Frischhefe und solche ohne Hefe, dafür zum Beispiel mit Buttermilch. Testen Sie einfach selbst, welche Variante für Sie am besten funktioniert.

Überreste vom Hermann-Teig lassen sich problemlos über mehrere Monate einfrieren. Nach dem Auftauen können Sie damit so verfahren wie mit einem geschenkten Hermann. Bei richtiger Pflege können Sie immer wieder neue Hermann-Teige schaffen und verarbeiten.

Rezept für einen klassischen Hermann-Kuchen

Der Hermann-Brief enthält nicht nur die Anleitung zum Züchten, sondern auch ein Kuchenrezept. Eine gängige Variante erfordert

  • eine Portion Hermann-Teig,
  • 200 Gramm beziehungsweise zwei Tassen Weizenmehl,
  • 150 Gramm oder eine Tasse Zucker,
  • eine Packung Vanillezucker,
  • eine Prise Salz,
  • drei Eier,
  • 100 Milliliter Speiseöl und
  • 200 Milliliter beziehungsweise eine Tasse Milch.

Zubereitung

Sieben Sie zuerst Mehl und Bachpulver in eine Schüssel und fügen Sie dann Zucker, Vanillezucker und Salz hinzu. Als nächstes kommen Milch, Öl und Eier und der Hermann hinzu. Wer möchte, kann Nüsse, Früchte, Kakao oder weitere Gewürze ergänzen. Verarbeiten Sie alles zu einem glatten Teig und füllen Sie diesen in eine geeignete Kuchenform. Backen Sie den Kuchen bei 190 Grad Ober- und Unterhitze für etwa 40 bis 45 Minuten und lassen Sie ihn danach vollständig auskühlen.


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