E-Scooter-Sharing - Einfach, aber umstritten

E-Scooter-Sharing - Einfach, aber umstritten

Sie heißen Lime, Tier, Bird oder Bolt, sind meist in auffälligen Farben lackiert und stehen mittlerweile an jeder Straßenecke: Elektrische Tretroller, die von einem der zahlreichen Anbieter zur Verfügung gestellt werden, sind aus dem Stadtbild nicht mehr wegzudenken. In jeder größeren deutschen und europäischen Stadt ist mindestens ein Verleiher vertreten – und wird dankbar angenommen.

Schwerer Start für E-Scooter

Die Idee ist einfach und verlockend: mit dem Smartphone den E-Roller entsperren und für ein paar Cent die Minute durch die Stadt fahren. Ob sich das lohnt, muss jeder für sich entscheiden. Schneller als mit dem Fahrrad sind Sie damit jedenfalls nicht unbedingt, da die Gefährte auf 20 Stundenkilometer gedrosselt sind. Zudem ist die Fahrt bei längeren Strecken teurer als das Bus- oder Tramticket.

Des Weiteren stehen die bunten Flitzer schon seit ihrem Start in Deutschland im Sommer 2019 in der Kritik; die Fahrten seien zu gefährlich, die abgestellten Roller würden das Stadtbild verschandeln, der Straßenverkehr sei um einen unnötigen Faktor erweitert. Dennoch tat diese Skepsis dem Siegeszug keinen Abbruch: Bis zu sieben Anbieter gleichzeitig sind in deutschen Metropolen vertreten und auch in manchen Städten mit weniger als 200.000 Einwohnern wie Ingolstadt, Potsdam oder Ludwigshafen fahren die gemieteten E-Scooter umher.

Per App entsperrt, per Karte bezahlt

Wer einen Roller einer dieser Anbieter ausleihen will, muss dafür nur eine App installieren und eine Zahlungsmethode verknüpfen. Abgerechnet wird über die Kreditkarte oder Online-Bezahldienste wie PayPal oder Google Pay. Auf einer Straßenkarte können Sie sehen, wo in Ihrer Nähe der nächste Roller des entsprechenden Anbieters steht. Meist ist sogar der Ladezustand des Akkus vermerkt. In manchen Fällen können Sie für ein paar Cent den Roller reservieren, damit ihn sich kein anderer schnappt, bevor Sie zu ihm gegangen sind.

Am Roller ist ein QR-Code angebracht, den Sie mit der Anbieter-App scannen müssen – schon kann die Fahrt losgehen. Meist wird für die Freischaltung ein Grundpreis berechnet; die Fahrt schlägt je nach Anbieter mit 9 bis 25 Cent pro Minute zu Buche. Wenn Sie Ihre Fahrt beendet haben, drücken Sie den entsprechenden Button in der App. Manche Anbieter wünschen, dass Sie ein Foto vom abgestellten Roller machen, um zu übermitteln, dass er ordnungsgemäß geparkt wurde. Übrigens: Bewegen Sie einen Roller, ohne ihn vorher zu entsperren, gibt er einen lauten, warnenden Ton von sich. Das gilt auch, wenn Sie die eben eingenommene Parkposition noch einmal korrigieren wollen.

Vorschriften im Straßenverkehr

Generell dürfen Elektro-Tretroller dort fahren, wo es auch Fahrrädern erlaubt ist, sprich: auf Radwegen oder Radfahrstreifen. Fehlen diese, können Sie auf die Straße ausweichen. Auf Gehwegen oder in Fußgängerzonen haben die E-Scooter nichts zu suchen. Ausnahmen zeigt das Verkehrsschild „Elektrokleinstfahrzeuge frei“ an.

Außerdem dürfen die E-Roller nicht überall abgestellt werden. In der jeweiligen App werden für gewöhnlich Parkverbotszonen markiert, beispielsweise Parks, verkehrsberuhigte Zonen und Privatgrundstücke. In der Nähe von Fahrradständern oder an öffentlichen Plätzen findet sich normalerweise immer ein geeignetes Plätzchen, teilweise existieren sogar ausgewiesene Parkzonen.

Helmtragen ist keine Pflicht

Wie auch für Fahrradfahrer gibt es für die Nutzung von Elektro-Rollern keine Verpflichtung zum Tragen eines Schutzhelmes. Empfohlen wird es jedoch, auch vonseiten der Anbieter. Darüber hinaus müssen sich die E-Roller-Fahrer, abseits von der bereits bestehenden Straßenverkehrsordnung, nur an wenige zusätzliche Regeln halten. So verbieten die Dienstleister, dass mehr als eine Person auf dem Roller fährt. Das Mindestalter für die Nutzung liegt bei 18 Jahren, wohingegen schon Jugendliche ab 14 Jahren mit ihrem privaten E-Roller am Straßenverkehr teilnehmen dürfen.

Die Gefahr geht vom Fahrer aus

Die Skepsis vor der Zulassung von Elektrorollern und dem damit gestarteten Siegeszug der Verleihdienste Lime, Tier und Co. bezog sich vor allem auf den Sicherheitsaspekt. Ob ein Tretroller, von dem man immerhin schnell abspringen kann, per se unsicherer ist als ein Fahrrad, darf bezweifelt werden. Die Geschwindigkeit oder eine fehlende Pufferzone können unter diesem Gesichtspunkt jedenfalls nicht die springenden Punkte sein. Vielmehr besteht dann eine Gefahr für Fußgänger, wenn der Rollerfahrer sich falsch verhält, etwa verbotenerweise Gehwege oder ähnliche Flächen befährt.

Ein nach wie vor viel diskutierter Kritikpunkt sind die Parkflächen beziehungsweise die falsch geparkten E-Roller. Diese liegen teilweise unachtsam hingeworfen in der Ecke oder stehen quer auf dem Gehweg, im schlimmsten Falle hängen sie über Zäunen oder werden in den Fluss geworfen. Eine Möglichkeit, diesem Verhalten entgegenzuwirken, könnten mehr ausgewiesene Parkflächen für E-Roller – auch private – sein. Dort würden für die Mietroller auch spezielle Stationen stehen, in welche sie eingesetzt oder gehängt werden müssen. In einigen Städten werden entsprechende Maßnahmen bereits geprüft. Es wäre allerdings mit einem erheblichen Verwaltungs- sowie finanziellen Aufwand verbunden, wenn diese Möglichkeit für mehrere Zehntausend E-Roller geschaffen werden sollte.

Städte in Europa reagieren

Einige Städte in Europa haben schon Einschränkungen für die Rollerfahrten erlassen. In Oslo beispielsweise gilt mittlerweile ein Nachtfahrverbot. Auch die maximale Anzahl der Fahrzeuge wurde hier reduziert, ebenso in Kopenhagen. In Mailand wurden die Gefährte vorübergehend vom Markt genommen, bis die Straßen durch entsprechende Verkehrsschilder angepasst wurden. In den Niederlanden sind E-Scooter verboten; in Großbritannien, wo die Nutzung privater E-Roller ebenfalls nicht erlaubt ist, läuft derzeit ein Projekt mit einigen Anbietern dieser Gefährte, um zu prüfen, ob sie für den britischen Straßenverkehr zugelassen werden sollen.

Die größten Anbieter und ihre Tarife

Mehr als zehn Anbieter zur Leihe von E-Rollern gibt es mittlerweile allein in Deutschland, einige wie UFO nur in sehr wenigen Städten, andere wie Spin in Nordrhein-Westfalen regional begrenzt. Dabei unterscheiden sich die einzelnen Unternehmen, was das Preismodell angeht, in den meisten Fällen nur marginal.

Name Herkunft Gründungs- jahr Preis pro Minute* / Entsperrgebühr Flatrate Standorte in D
Lime San Francisco (USA) 2017 0,20–0,25 € / 1,00 € 9,99 € / Tag; 39 € / Monat 25+ Städte
Tier Berlin (Deutschland) 2018 0,15–0,19 € / 1,00 € 9,99 € / Tag; 39 € / Monat 55+ Städte
Voi Stockholm (Schweden) 2018 0,15 € / 1,00 € 6,99 € / Tag; 39 € / Monat 15+ Städte
Bolt Tallinn (Estland) 2013 0,09 € / 0,00 € keine 35+ Städte
Bird Santa Monica (USA) 2017 0,15 € / 1,00 € 9,99 € / Tag; 30 € / Monat 25+ Städte
Circ Berlin (Deutschland) 2019 0,15 € / 1,00 € keine Ca. 10 Städte
*teilweise standortabhängig, Stand: Oktober 2021

Die Tages- und Monats-Flatrates der Anbieter sind mit Vorsicht zu genießen, da in der Regel nur die ersten 45 Minuten einer Fahrt kostenfrei sind und dann der reguläre Tarif greift. Theoretisch kann man diese Hürde umgehen, indem man die Fahrt kurz beendet und den Roller dann wieder startet. Wie lange der Akku das mitmacht, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Außerdem sind die Fahrten begrenzt, etwa auf zehn Stück pro Tag oder 30 im Monat. Hintergrund hierfür könnte sein, dass Fahrer von Lieferdiensten diese Flatrate für ihre Touren nutzten. Ein Anbieter reagierte darauf, indem er entsprechende Accounts kündigte, weil diese Nutzung nicht dem Sinne des Angebots entspräche.

Viele der Verleiher bieten auch andere Fahrzeuge an; so können Sie Fahrräder von Lime oder Elektro-Motorroller von Tier mieten. Das estnische Unternehmen Bolt begann bereits 2013 als Taxiunternehmen und ist mittlerweile auch ein Carsharing-Anbieter.

Verkehrsrevolution in den Kinderschuhen

Die E-Roller werden viel genutzt und die Branche boomt – gleichzeitig sorgen sie bei vielen für Ärger. Striktere Richtlinien könnten das Parkproblem regulieren; ein attraktiveres Preismodell würde vielleicht Bus- und Bahnfahrer zum Umdenken beziehungsweise Umsteigen bewegen. Bisher nutzen vor allem Touristen die Flitzer für Fahrten durch die Stadt. Privatpersonen fahren mit den Mietrollern eher auf Strecken, die sie sonst zu Fuß gegangen wären, nicht aber kurze Auto- oder Pendelstrecken. Das vage Ziel, Autofahrer langfristig zu Scooter-Fahrten zu bewegen oder den öffentlichen Nahverkehr zu entlasten, liegt daher noch in weiter Ferne. Bis dahin sind die bunten Roller für die meisten wohl nicht mehr als „nice to have“ und den Politikern ein schwer zu entfernender Dorn im Auge.


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