Rechte und Verhaltensweisen bei der Street-Fotografie

Rechte und Verhaltensweisen bei der Street-Fotografie

Heutzutage lassen sich selbst mit der Smartphone-Kamera schöne Bilder in öffentlichen Bereichen schießen. Bei der Street-Fotografie im Speziellen sind aber das Motiv und die Bildsprache ausschlaggebend. Prinzipiell kann alles in der Öffentlichkeit zum Zentrum des Fotos werden, selbst einzelne Gegenstände und Personen. Aber ist es tatsächlich akzeptabel beziehungsweise erlaubt, jeden Fund abzulichten, oder können manche Aufnahmen sogar rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen?

Der Spagat zwischen künstlerischem Schaffen und Personenrechten

Street-Fotografie fängt das Leben im öffentlichen Raum ein – idealerweise komplett ungestellt. Das kann alles sein: das bunte Treiben an einer Kreuzung, der überlaufende Mülleimer, der Stapel umgekippter E-Roller oder Menschen in alltäglichen Situationen, die sich nicht bewusst sind, dass sie fotografiert werden. Doch letzteres Szenario wirft Fragen auf: Darf man Menschen überhaupt ohne deren Zustimmung fotografieren? Wie verhält es sich mit dem Recht auf das eigene Bild?

Idealerweise holen sich FotografInnen zuerst das Einverständnis der Personen, bevor sie loslegen. Bei der Street-Fotografie geht es aber darum, die tatsächliche Situation darzustellen. Zuerst um Erlaubnis zu fragen, führt schnell dazu, dass die Bilder gestellt wirken, weil sich Personen anders verhalten, wenn Sie wissen, dass sie fotografiert werden. Während es für einen Teil der Street-FotografInnen vollkommen in Ordnung ist, wenn die Präsenz von Personen nur durch ihre Schatten erkennbar ist, gibt es andere, für die Menschen unbedingt im Bild sein müssen.

Die Rechtslage – was in Deutschland erlaubt ist und was nicht

Die Anzahl an Rechten, die FotografInnen durch das Ablichten der Umgebung theoretisch verletzen können, ist erheblich: Dazu gehören nicht nur die Persönlichkeitsrechte der fotografierten Personen, sondern auch das Fotografieren von Gebäudefassaden und Skulpturen an öffentlichen Plätzen kann Probleme bereiten. Bei Ersterem kann das Urheberrecht der ArchitektInnen verletzt werden, bei Letzterem das der BildhauerInnen.

Da diese Regelungen aber wiederum die Meinungs- und Kunstfreiheit der FotografInnen behindern, gibt es einige Entscheidungen, die die Gefahr möglicher Rechtsverletzungen reduzieren. Die gesamte Rechtslage ist nicht nur kompliziert, sondern noch dazu muss jeder Fall vor Gericht individuell abgewogen werden.

Das illustriert auch der Streit, der im Jahr 2018 letztendlich zur Anerkennung der Straßenfotografie als Kunstwerk geführt hat: Bei der Open-Air-Ausstellung „Ostkreuz: Westwärts, Neue Sicht auf Charlottenburg“ war eine Passantin auf einem Foto an einer stark frequentierten Straße im Großformat abgebildet, sodass ihr Körper ein Drittel des Bildes einnahm und ihr Gesicht klar zu erkennen war. Das Gericht wog Kunstfreiheit und allgemeine Persönlichkeitsrechte gegeneinander ab und entschied, dass das Bild entfernt werden muss, weil es an einer öffentlichen Straße ausgestellt war. Im Rahmen einer Ausstellung in einem Gebäude wäre die Veröffentlichung hingegen in Ordnung gewesen, weil es sich beim Bild um Kunst handelt.

Es ist uns also nicht möglich, einen vollständigen, allgemeinen Überblick zu liefern, sondern nur einen Abriss mit den wichtigsten Regelungen, die StraßenfotografInnen betreffen. Dazu zählen vor allem die Panoramafreiheit und die Definition von Personen als Beiwerk.

Die Panoramafreiheit

Die Panoramafreiheit ist im Artikel 59 des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) geregelt und ermöglich das Fotografieren von Werken, die sich dauerhaft an einem festen Ort befinden. Des Weiteren lassen sich die Aufnahmen kommerziell nutzen. Doch was bedeutet die Formulierung genau?

Alles, was Teil des öffentlichen Straßenbildes ist, kann prinzipiell fotografiert werden. Nicht dazu gehören das Innere von Gebäuden sowie alles, was nicht von öffentlichem Boden einsehbar ist, etwa weil es sich hinter einem Zaun befindet. Es ist auch nicht erlaubt, von einem höheren Ort wie einem Baum oder aus einer hohen Etage, einen anderweitig nicht einsehbaren Ort aufzunehmen. Sie benötigen die Erlaubnis der EigentümerInnen beziehungsweise der BetreiberInnen zum Fotografieren – am besten schriftlich, damit Sie deren Zustimmung im Nachhinein nachweisen können.

Beim Fotografieren von Kunstwerken in der Öffentlichkeit lautet das Stichwort bleibend. Eine Outdoor-Kunstausstellung zum Beispiel, die nur zeitlich begrenzt an einem Ort ist, darf nicht abgelichtet werden, eine Statue in einem Park hingegen schon.

Personen als Beiwerk

Der Paragraph 57 des UrhGs sagt aus, dass eine Person zum Beiwerk wird, wenn sie zwar auf einem Foto zu sehen, aber nicht das Hauptmotiv ist. Ein konkretes Beispiel: Die Person befindet sich in der rechten unteren Ecke auf einem Foto des Kölner Doms. Auch bei großen Versammlungen, Konzerten oder Sportveranstaltungen ist es nicht nötig, die Erlaubnis aller TeilnehmerInnen zu holen. Allerdings gilt das nur, wenn Personen nicht aus der Menge hervorstechen. Bei kleinen Gruppen wie einer spontanen Straßenszene benötigen Sie die Erlaubnis aller Anwesenden, um das Bild verwenden zu dürfen. Die Annahme, aber einer bestimmten Personenzahl wie drei, fünf oder zehn dürfen Gruppen ohne Einwilligung fotografiert werden, trifft nicht zu.

Tatsächlich zieht das Fotografieren von erkennbaren Personen erst rechtliche Konsequenzen mit sich, wenn Sie das Bild beispielsweise auf einem Blog veröffentlichen oder kommerziell nutzen möchten. In diesem Fall benötigen Sie die Einwilligung der fotografierten Personen.

Sinnvolle Verhaltensweisen bei der Street-Fotografie

Die wichtigsten Regelungen sind nun klar, aber wie verhält man sich bei der Street-Fotografie rechtlich und moralisch am besten, um etwaigen Problemen zu entgehen? Als Street-FotografIn mit Interesse an möglichst authentischen Aufnahmen möchten Sie das Motiv nicht unbedingt vorher informieren, dass Sie ein Bild machen.

Spätestens nach dem Foto empfiehlt es sich aber, sich eine schriftliche Einverständniserklärung zu besorgen, wenn Sie die Aufnahme veröffentlichen möchten. Gehen Sie zur Person, zeigen Sie dieser das Bild und fragen sie, ob sie es behalten beziehungsweise nutzen können. Dabei können Sie auch Ihre Visitenkarte hinterlassen und somit nicht nur Eigenwerbung machen, sondern auch dem Motiv das Foto später schicken. Stellt sich heraus, dass die Person keine Fotos von sich möchte, entschuldigen Sie sich und löschen das Foto sofort.

Am besten fotografieren Sie keine obdachlosen Menschen oder solche in intimen beziehungsweise peinlichen Situationen. Auch das Fotografieren von Kindern ist problematisch. Hier holen Sie sich die Erlaubnis aller Erziehungsberechtigen oder fotografieren so, dass das Kind nicht klar erkennbar ist.

Menschen so abzulichten, dass sie nicht identifizierbar sind, ist allgemein eine gute Taktik, um Persönlichkeitsrechte zu schützen. Sie können Personen zum Beispiel als Silhouetten oder von hinten fotografieren. Das bunte Treiben auf der Straße lässt sich hervorragend einfangen, wenn Sie mit Spiegelungen oder Langzeitbelichtung spielen. Während gespiegelte Motive verzerrt erscheinen können, sorgt Langzeitbelichtung für Bewegungsunschärfe, sodass Personen verwischt erscheinen. Letztendlich ermöglicht diese Vorgehensweise auch zahlreiche kreative Bildkompositionen.

Möchten Sie StraßenkünstlerInnen ablichten, ist es höflich, Ihnen auch etwas Geld in den Topf zu werfen, bevor Sie ein Foto machen. Mit Blickkontakt und einem freundlichen Lächeln können Sie Ihre Intention deutlich machen und dann loslegen. Nach der Show gehen Sie dann auf den oder die StraßenkünstlerIn zu, um die Formalia zu regeln. Wichtig bei der Interaktion mit Personenmotiven ist immer Höflichkeit und Respekt.


Teaserbild: © Xalanx / stock.adobe.com | Abb. 1: © Birol / stock.adobe.com | Abb. 2: © joeycheung / stock.adobe.com